
Macht man sowas überhaupt noch heute? Jein. Was zu Zeiten meiner Großmutter, der Kriegs- und Nachkriegsgeneration noch ein wesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens war und völlig selbstverständlich, ist die letzten 50 Jahre ziemlich in den Hintergrund getreten: das Reparieren von Kleidung. Ich habe noch das Stopfen und Fleckeinsetzen im Handarbeitsunterricht geübt. Himmel, das war langweilig! Und schwierig außerdem. (Heute bewegt sich der Unterricht mehr in gefälligen, unterhaltsameren Bahnen. Wie ich die Kinder beneidet hätte. Ich war immer sehr langsam in Handarbeiten und kam nie zu den schönen Extraübungen, wie Makramee…) Es war auf jeden Fall ein interessanter Gedanke zu testen, wie es mir heute geht beim Stopfen bzw. dem Versuch dabei. Würde ich es genauso langweilig finden? Vor allem: wird es mich freuen eigene Sachen zu stopfen? Macht die neue Art des Stopfens mehr Spaß?
Warum das Reparieren so in Vergessenheit geraten ist, hat vor allem mit zwei Dingen zu tun. Erstens der permanenten Verfügbarkeit neuer und billiger Kleidung. Das ist nur möglich, weil wir sehr geschickt die textile Produktion in sogenannte Billiglohnländer ausgelagert haben. Wir sehen nicht wie unsere Kleidung produziert wird. Wir wissen nichts über die Arbeits- und Umweltbedingungen, was sehr entspannend ist und zur totalen Lockerheit bei einer Shoppingtour führt. Gleichzeitig ist manches so schlecht gearbeitet, dass es schlicht irreparabel ist. Und: uns werden immer rascher neue Klamotten und Modetrends präsentiert.
Diese Überschwemmung mit immer mehr und schnellerer Mode hat auch den Trend des sichbaren Stopfens –visible mending-als Gegenbewegung hervorgerufen: Stopfen als Gestaltungselement, als neue kreative Möglichkeit alten Kleidern ein neues Leben einzuhauchen. Ich habe also den ganzen Herbst, Winter und Frühling damit verbracht verschiedene Möglichkeiten des Stopfens zu testen, mal mit mehr mal mit weniger Erfolg. Als Sabine letztes Jahr das Thema wählte, musste ich tatsächlich erst einmal überlegen, WAS ich stopfen könnte. Ein paar reparaturbedürftige Pullover fanden sich sofort. Aber die schob ich schon ewig hin und her… (Erinnert euch das an wen?) Jedenfalls habe ich im Bekanntenkreis herumgefragt, ob jemand etwas zum Herrichten hätte. Dabei bin ich nach einem ersten überraschten Blick und einem „Meinst du das ernst?“ mit unterschiedlichsten reparaturbedürftigen Kleidungsstücken belohnt worden. Jetzt ging es um die Frage: Wie kann ich etwas reparieren, womit, auf welche Weise und, nicht ganz unwichtig, wird es dem Besitzer auch gefallen?
Einige meiner Testversuche möchte ich jetzt zeigen, um Lust auf’s Mittun zu machen:
FLECKEN ÜBERSTICKEN
Dieses T-Shirt gehört Sabine, es war mein erstes Übungsmodell. Flecken unbekannter Herkunft-vermutlich Obstflecken- verunstalteten das Shirt. Der aufgedruckte Stern machte es leicht. Vorher habe ich mir alle Flecke gesucht und markiert. Meinung von Sabine zum Ergebnis: von vorher ein „T-Shirt mit halt einem Stern“, ist zu einem richtigen Eyecatcher geworden.





RISSE
Die Hosen stammen von der Familie eines Landwirts, auf einem Bauerhof geht einfach schnell mal etwas kaputt. Der aufgeweckte Nachwuchs hat seine Hosen im Kindergarten durchgewetzt. Die Mutter hatte sehr klare Vorstellungen zur benötigten Reparatur: Aus einem Teil der Hosen sollten Shorts werden. Auf die bunten Aufnäher verzichtete ich und verwendete das abgeschnittene Material für Kniepatches. Sie sind mit beidseitig klebender Vlieseline aufgebügelt und dann im Zickzack-Stich festgenäht. Das Schwierigste war, dass die Hosenbeine so klein sind, dass man sie kaum unter die Maschine bringt… Der Arbeitshose habe ich ebenfalls einen Flicken erst aufgebügelt, dann festgenäht. Da ich kein passendes Stück Stoff in hellgrau hatte, griff ich die schwarzen Elemente wieder auf und setzte sozusagen einen zusätzlichen Farbakzent.






MOTTEN und andere LÖCHER IN PULLIS
Die vielen Mottenlöcher in den Stricksachen meiner Eltern haben mich nervös gemacht. Meine Mutter ist eine phantastische Näherin, Patchwork ist seit den letzten Jahren ihre große Liebe (ich hoffe ich kann mit 80 auch noch nähen). Aber die Löcher schienen sie nicht allzusehr zu interessieren, vielleicht sieht sie auch nicht mehr. Also habe ich eine Reihe Pullover und Jacken gestopft. Manches „unsichtbar“ anderes bewusst sichtbar. Und einige Pullis von uns waren endlich auch dabei…



ABGENUTZTE KANTEN
Eine meiner Lieblingsjacken. Ich mag die Farbe nicht besonders, trage sie aber wegen des hervorragenden Materials (Schurwolle) sehr gerne. Die Kanten der Ärmelbündchen waren abgewetzt. Der Golf-Aufnäher gab mir die Farbinspiration, als Belohnung dafür darf er jetzt die Jackentasche zieren. Zuerst habe ich passende Wolle gesucht. Dann die Kante umhäkelt und zuletzt noch Vorstiche und Knötchenstiche aufgestickt.




Genaugenommen möchten wir, die Petersilien, euch einladen im Mai eure ganz persönliche Einstellung zum Thema STOPFEN zu erkunden.
Gleichgültig wie ihr euch in der Reaparatur versucht, sichtbar, unsichtbar, schnell oder langsam. Wir sind einfach neugierig auf eure Erfahrungen, Erfolge und Niederlagen. Berichtet uns darüber am letzten Sonntag im Mai!
BÜCHER ZUM THEMA:
Verflickt & Zugenäht von Kerstin Neumüller (besprochen hier).
Ausbessern und Verschönern-Modische Ideen für ihre Kleidung von Denise Wild: In diesem Buch werden auf den Grundlagenseiten alle Problemfelder des Reparierens besprochen (Risse, Löcher, Nähte usw.) Zusätzlich zu den gezeigten Stopfmöglichkeiten gibt es bei jedem Kapitel unter dem Titel „Verschönern“ kreative Ideen und Inspirationen mit denen man Lieblingsstücke verändern und aufwerten kann.
Visible creative Mending for knitwear von Flora Collingwood- Norris: ein tolles Buch für Strickwaren, die Autorin zeigt alle benötigten Stichtechniken mit denen man Löcher stopfen kann. Aber ihre Art Pullover zu reparieren ist schon, wie der Titel verrät, mehr dekorative, sichtbare Kunst, aber absolut empfehlenswert, schon das Blättern im Buch macht Freude.
Geschickt geflickt – Lieblingskleidung ausbessern statt wegwerfen von Erin Lewis-Fitzgerald: die Autorin ist die führende Kleiderflickerin Australiens, Reparieren bedeutet für sie „sich zu kümmern und sich bewusst zu werden“. Sie stellt fünf Haupttechniken vor und eine Reihe sehr origineller Fallbeispiele (nebst individueller Fallgeschichte) von elegant bis humorvoll geflickt. Sehr inspirierend!
ZU DEN STOFFSPIELEREIEN
Mach mit, trau dich, sei dabei! Die Stoffspielereien sind offen für alle, die mit Stoff und Garn etwas Neues probieren wollen. Es geht ums Experimentieren und nicht ums Perfektsein, denn gerade aus vermeintlich „misslungenen“ Experimenten können wir im Austausch jede Menge lernen. Lass dich gerne vom monatlich vorgegebenen Thema inspirieren und zeig deine Ideen dazu.
Jeden letzten Sonntag im Monat sind die Stoffspielereien zu Gast bei einer anderen Bloggerin. Dabei kommen wir ohne Verlinkungstool aus: Schreib einfach einen Kommentar mit dem Link zu deinem Beitrag im jeweiligen Blogpost der Gastgeberin. Sie fügt die Links im Lauf des Tages in ihren Beitrag ein – ganz persönlich und individuell.
- 25.06.2023: „Modedesigner und Epochen“ bei Tyche
- 24.09.2023: „Handgenäht“ bei Siebensachen zum Selbermachen
- 29.10.2023: „Mosaik/Bruchstücke“ bei zwisch-en-durch
- 26.11.2023: „Schneeflocken“ bei Stoffnotizen
Ich finde es immer toll, wenn Menschen sich mit sowas befassen und sowas können.
Ich hab schon bloßes Knöpfe annähen ewig vor mir hergeschoben. 😀
Finde ich toll, an was für verschiedene Arten du dich getraut hast und auch die Ergebnisse lassen sich doch wirklich sehen!
LikeLike
Also nicht , dass du glaubst bei mir passiert alles sofort, aber- das muss ich sagen- mit den Versuchen kommt Übung und Spass an Möglichkleiten…Liebe Grüße, Silvia
LikeLike
Danke für deine vielfältigen Inspirationen – und Beispiele! – die ich mir (wie du merkst) erst heute zu Gemüte führe, weil ich schon ganz lang weiß, was ich machen werde: viele alte Stopfereien, die es nie auf den Blog geschafft haben, zeigen. Und ein Tool ausprobieren, das ich mir schon vor einiger Zeit zugelegt habe. Auch die Buchtipps klingen fein, da werde ich gerne mal reinschauen. Aber zunächst noch hurtig gestopft, denn morgen wollen die Beiträge präsentiert werden! Liebe Grüße, Gabi
LikeLike
Danke, bin schon neugierig! Liebe Grüße, Silvia
LikeLike