Ein südamerikanischer Poncho und ein nordamerikanischer Poncho

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Auf das Einfache kommt man oft nicht sofort. Eines der urtümlichsten Kleidungsstücke ist der Poncho. An seinem Beispiel kann man einige, für traditionelle Kleidung typische, Elemente erkennen: Ein Poncho ist eigentlich nur ein Stück gerader Stoff mit einem Loch zum Hineinschlüpfen, ist verschieden einsetzbar (er könnte genauso als Decke dienen), es gibt keinen Verschnitt (das Gewebe wird vollständig genützt), das Kleidungsstück hat keine festgelegte Größe … Gefunden hat man Ponchos oder Schulterdecken bereits in den Gräbern der Inka, bestehend aus zwei gleichen Stoffstreifen, die, bis auf einen Schlitz für den Kopf, zusammengenäht wurden. In Mexiko wird die Schulterdecke auch Sarape oder Jorongo genannt. Das Wort Poncho stammt aus dem Spanischen. Der altmexikanische Poncho wurde aus zwei Teilen so zusammengenäht, dass ein dreieckiges Loch für den Kopf blieb. Die Huipil genannte Bluse der Frauen ist ebenso aus (meist) zwei Stoffen genäht und entspricht der Konstruktion des Poncho, nur werden die Seiten zusammengenäht und die Bluse wird in den Rock gesteckt getragen.

Ponchos tauchen immer wieder in verschiedenen Ausformungen auf den Laufstegen der internationalen Mode auf, und finden so den Weg in Boutiquen und Geschäfte. In dem Buch Verschlüsse perfekt nähen von Yoshiko Mizuno erschienen im Stiebner Verlag sind drei Poncho-Varianten zu sehen. Das Thema des Buches lautet Verschlüsse und an Ponchos kann man sehr schön verschiedene Schlitzverschlüsse zeigen – zudem sind sie leicht zu nähen. Das Buch beginnt mit einer Damenbluse und einem Herrenhemd mit all den klassischen Details: Knopfleiste, Schlitz an den Ärmeln, Kragen und Sattel. Dann folgen Ponchos mit Knebelknöpfen, sichtbaren und verdeckten Auschnittbeleg, Kapuzenpulli und Nylonparka mit sichtbarem Reißverschluss, ein wunderschöner Mantel mit elegantem, verdeckt eingenähten Reißverschluss, Röcke, Hose und Kleider runden das Schnitt – und Beispielangebot des Buches ab. Die Bluse mit Dolmanärmel und Schlitzen an den angeschnittenen Ärmeln habe ich hier gezeigt. Die Ponchos waren meine ersten Nähwerke aus dem Buch, eben weil sie einfach und rasch zu arbeiten sind und man sich wirklich auf den Verschluss als wesentliches Gestaltungselement konzentrieren kann.

Den wunderschönen, handgewebten Stoff aus Nepal kaufte ich, nachdem ich Anna’s schicke Jacke gesehen hatte. Nur konnte ich mich nie so recht für ein Schnittmuster entscheiden und nun ist eben ein Ethnostyl-Poncho daraus geworden. Der Stoff hat eine gestreifte Kette und wurde mit schwarzen Schuss verwebt, in manche breitere Streifen ist ein zusätzliches Muster eingearbeitet. Bei diesem Modell ist der Ausschnittbesatz außen nicht zu sehen, er ist aus schwarzem Leinen so wie die Streifen mit denen ich die Kanten abgeschlossen habe. Dieser Saumabschluss entstand einerseits um den relativ stark fransenden Stoff gut zu sichern, andererseits vor allem um ein paar Zentimeter an Länge zu gewinnen, mir fehlten ca. 15cm. Wenn man genug Material hat könnte man diesen Stoff auch, wie bei meinem zweiten Modell zu sehen ist, mit mindestens zwei Nähten sichern und ausfransen.

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Der Schnitt ist eine Maßangabe für das rechteckige Teil. (Meine Version ist etwas schmäler und kürzer.) Der Belegschnitt findet sich auf einem der, dem Buch beigelegten, Schnittbögen. Ich habe den Auschnittbeleg unverändert verwendet und er passt wunderbar. Im Original hat der Poncho drei kleinere Knebelknöpfe. Ich hatte aber nur die Großen- weil ich immer von einem Duffelcoat träume. Da das noch nicht wahr geworden ist, habe ich zwei davon hier verwendet.

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Wenn man die Bilder so ansieht, denkt man schnell an Südamerika, Peru, die Anden oder eben Westernfilme („Für eine Handvoll Dollar“ oder „The Good, the Bad, the Ugly“mit Clint Eastwood im Poncho …), das hat uns, mich und Sabine, auf den Titel zu diesem Beitrag gebracht. Nachdem Poncho 1 so erfreulich schnell herzustellen war, nahm ich mir das nächste Modell vor: Diesmal sollte der sichtbare Beleg aus Leder sein. Waschleder wird in der Anleitung verwendet, ich verwendete eine Rest meines schwarzen Lederrockes, darum gibt es auch eine, bereits vorhanden gewesene, Quernaht. Ich habe noch nie echtes Leder mit der Maschine genäht und ich muss sagen, obwohl ich kein Spezialfüßchen besitze, hat es erstaunlich gut geklappt. Das Leder fühlt sich jedenfalls herrlich an. Ich verwende die original Seitenkante des Stoffes und habe ihn an den anderen beiden Seiten, wie im Buch beschrieben, gesichert und ausgefranst. Bei der Stoffwahl sollte man auf jeden Fall auf eine schöne Webkante, die man unversäubert nehmen kann, achten.

Yoshiko Mizuno näht diese beiden Poncho in ihrem Buch aus demselben Karostoff und zeigt, zusätzlich zur Ausschnittvariante, sehr schön wie ein schräg bzw. gerade verwendetes Karo wirkt. Das ist das Reizvolle an ihren Büchern: oft eine zweite Variante in anderem Material oder geringfügig veränderten Design und schon wird man sensibilisiert auf sanfte Nuancen der Gestaltung. Diesen Karostoff hat Sabine übrigens zu ihrem fantastischen Vintageensemble verarbeitet.

Der dritte Poncho im erwähnten Buch ist ein Sommerponcho, der vor der Sonne mit seiner Kapuze schützt. Für mich ist es eine ungewöhnliche Jahreszeit für einen Poncho. Aber ich weiß, dass sich Japaner viel besser vor der Sonne schützen, als wir, daher scheint es mir für ein japanisches Nähbuch eigentlich nicht so unlogisch einen Sommerponcho mit ins Programm zu nehmen. Ich habe noch nicht den Stoff gesehen, aus dem ich mir einen Sommerponcho für mich vorstellen könnte, vielleicht begegnet er mir später.


Fazit: Verständlich, dass Ponchos immer wieder in der Mode auftauchen: es sind einfach schöne Kleidungsstücke, die Stoffe gut zur Geltung bringen und sehr dekorativ wirken. Das Nähen und das Ausfransen!) hat mir sehr viel Freude bereitet und das Fotografieren an diesem tollen Herbstmorgen ebenso.

Stoffe: Handgewebter Nepalstoff gekauft bei Karlotta Pink, Karostoff gekauft bei MyTex

Buch: Verschlüsse perfekt genäht – Reißverschlüsse, Knopfleisten, Schlitzverschlüsse von Yoshiko Mizuno erschienen 2015 Stiebner Verlag, zwei Schnittbögen, Softcover, 81 Seiten, zahlreiche Fotos und illustrationen, ISBN 978-3-8307-0940-4

Schnitt: Modell Nr. 13 und 14

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2 Gedanken zu “Ein südamerikanischer Poncho und ein nordamerikanischer Poncho

  1. Eure Fotos erinnern tatsächlich an Westernfilme, gleichzeitig kann ich die kühl-neblige Herbstluft richtig riechen! Ponchos waren bisher außerhalb meines Näh-Bewusstseins. Meistens bin ich mit dem Rad unterwegs, da hätte ich Angst, dass sich der Ponchon in den Speichen fängt, außerdem bläst der Wind unten rein, oder nicht? Aber für einen herbstlichen Spaziergang wie hier: Perfekt. Auch die Verarbeitung der Verschlüsse sehr schön. lg, Gabi

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    1. Mit dem Rad ist ein Poncho vielleicht nicht ganz optimal, auf jeden Fall eher der unten gerae Geschnittene, denk ich halt. Aber es ist einfach so ein dekoratives Kleidungsstück!Liebe Grüße Silvia

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