
Kaum ein anderes Tier erregt derartig gegensätzliche Meinungen und Gefühle wie die Taube. Die Taube wurde an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten zum Sinnbild der Schnelligkeit, der Fruchtbarkeit, der göttlich-geistigen Erleuchtung, der Sanftmut und Duldsamkeit, der Gattenliebe, der Friedfertigkeit und der Liebe, des Futterneides, der Streitsucht und der nervösen Hektik. Die Taube ist, neben dem Lamm, vermutlich die Tiergestalt, die am häufigsten in der christlichen Ikonografie auftritt. Der weissen Taube als Sinnbild des Friedens und der Liebe stehen verachtungsvolle Bezeichnungen der Straßentaube wie “ Ratte der Lüfte“ oder „fliegender Unrat“ gegenüber. Wir neigen offensichtlich sehr dazu ein Tier mit menschlichen Eigenschaften zu versehen, statt es als eigenständiges Lebewesen mit seinen charakteristischen Eigenheiten zu akzeptieren.







Die Taube begleitet den Menschen mit der Ausbreitung des Ackerbaus seit über 10 000 Jahren in allen Religionen, als Haustier und als Symbol. Sie erobert die Städte. So unterschiedlich Venedig, Dehli, Moskau oder Frankfurt sein mögen, sie haben eines gemeinsam: sie werden von einer großen Zahl von Strassentauben bevölkert. Sie werden gefüttert, gehegt und geliebt -aber auch gehasst, verabscheut und verfolgt. Durch die Anpassung an die Stadt entstand aus Felsentauben, Haustauben und Brieftauben gleichsam eine neue Tierart: die Strassentaube, gewissermaßen eine Supertaube. Schnell im Flug, ausdauernd, wendig, in abenteuerlichen Farbschattierungen und unter extremen Konkurrenzdruck: Das Futterangebot ist in der Stadt zu hoch. Tauben sind daher gezwungen dritt und viertklassige Nistplätze zu wählen. Das macht sie anfällig für Krankheiten, Nässe, Unterkühlung und Parasiten: Milben und Mäusen. Die Hälfte der Jungvögel stirbt vor Beendigung ihres ersten Lebensjahres.
Trotzdem: Ich kann mir eine Stadt ohne Tauben einfach nicht vorstellen, sie ist eines jener Tiere, die es geschafft haben in unserer durch und durch künstlichen, geraden, zubetonierten Stadtlandschaft zu überleben. Nein, mehr als das, sie gehört gewissermaßen zum Inventar: würden keine Tauben und Spatzen Imbißbuden umkreisen, würde etwas wichtiges fehlen. Das hat beinahe etwas poetisches. Meine Tochter Anna hat mehr als ihr erstes Lebensjahr in einer Großstadt verbracht. Tauben gehörten da zu den ganz großen ersten Tierbegegnungen, neben Hunden, ab und zu einer Katze und den Möwen am Ufer. Was wären erste Kinderschritte ohne die Aufregung und Begeisterung die aufliegende Tauben auslösen?
Als ich diesmal in die Stadt fuhr um Vögel zu fotografieren, war ich besonders an drei typischen Großstadtbewohnern interessiert: der Taube, der Möwe und den Spatzen. Und um sie in die Nähe meiner Kamera zu bekommen, war ich entsprechend ausgestattet: mit altem Gebäck, als Köder. Am Bahnhofvorplatz, nachdem ich ein paar Tauben erspäht hatte, begann ich meine Fotojagd gleich einmal damit, dass ich eifrig Brotkrumen verstreute. Ich habe es genossen wie ein Kind, als sich plötzlich ein Schwarm niederließ. Aber ich habe mich natürlich sehr unbeliebt gemacht: Eine Frau lief demonstrativ durch meinen herangefütterten Taubenschwarm. Das zeigt so deutlich das Dilemma dieser Tiere, faszinierende Geschöpfe, Natur durch und durch einerseits, unsere von Menschenhand geschaffene, von der uns umgebenden Landschaft völlig entkoppelte Welt (in der Tiere prinzipiell unerwünscht sind und höchstens Probleme bereiten), andererseits. Kurioserweise bietet gerade unsere Stadtlandschaft unfreiwillig vielen Tieren und auch Pflanzen ein neues Zuhause. Manche leben im Verborgenen, andere sind in der Öffentlichkeit allgegenwärtig wie die Taube, der Spatz, die Möwe. Keines davon sehr beliebt. Aber genau das macht es für mich so faszinierend und weckt den Wunsch, sie in den Blickpunkt zu rücken, als Mitbewohner, Lebewesen und in ihrer Schönheit.









Mein grau-schwarz-braun-blau gemusterter Seidenstoff schien mir genau das richtige Material für ein der Strassentaube gewidmetes Kleidungsstück zu sein. Den Blusenschnitt Ella von So!Pattern habe ich schon viele Male vernäht, diesmal bekam die Bluse Laternenärmeln. Ich habe den Ärmelschnitt mithilfe des Buchs Der perfekte Blusenschnitt von Stephanie Kroth angepasst.
Fazit: Seide ist wie immer ein großartiges Material, die Ärmel sind gerade eine Spur zu locker am Gelenk. Darum bekamen sie auch Knöpfe, um sie etwas anzupassen.
Schnitt: Ella von So!Pattern, mit Laternenärmeln nach dem Buch Der perfekte Blusenschnitt von Stefanie Kroth erschienen im Stiebner Verlag
Stoff: Seide aus dem Depot meiner Mutter
verlinkt zum MeMadeMittwoch
Die Farben deiner neuen Bluse mag ich auch gern. Sehr hübsch! Was die Tauben anbetrifft, bei uns im Garten bringen sie ihre Brut nie zuende. Meist, weil das Nest durch Wind zerstört wird. Besonders traurig ist das natürlich, wenn schon Küken da sind. Sie bauen auch einfach zu lotterig…
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Tauben, die in Gärten und Bäumen ihr Nest bauen, sind definitiv keine Stadttauben (Felsentauben), sondern immer Ringeltauben. Und lotterig bauen sie nicht. Jede Vogelart hat Verluste zu beklagen jährlich durch zu starken Wind und dadurch Zerstörung des Nestes.
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Stimmt, ich habe das nicht genau gelesen. Gut, dass Du darauf eingehst. Über ihre Nester weiß ich zugegeben nicht genug- aber mit großer Regelmäßigkeit kommt auch in unseren Garten ein Paar. Sie sind sehr schön. Vielleicht kriegen sie noch einen extra Beitrag. Der Jammer ist, auch hier bei uns im Dorf, dass Tauben generell gehasst werden. Schade. Liebe Grüße, Silvia
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Die Tauben, die die Bloggerin hier meint, sind Stadttauben, die Nachkommen der vom Menschen im Mittelalter als Haus- und Nutztier hier her verbrachten Felsentaube vom Mittelmeer und dem nahen Osten. Diese ist, wie der Name schon sagt, ein sogenannter Halbhöhlen- und Felsenbrüter. Deshalb haben Stadttauben niemals ihr Nest in Bäumen. Sie können nämlich keine Nester in Astgabeln flechten. Sie brauchen Höhlen und Mauervorsprünge etc. Deshalb hat der Mensch Ihnen seit dem Mittelalter immer Taubenhäuser gebaut. (Siehe das Märchen vom Aschenbrödel)
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Da leidet man richtig mit, wenn so ein Nest oder eine Brut zugrunde geht…sowas ist für mich auch recht schlimm- egal-welche vögel es sind. Der Stoff ist tatsächlich recht apart mit sehr schöner Farbpalette-genau passend für die Jahreszeit…Liebe Grüße, Silvia
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Der Teil mit den Tauben ist mir bei dem Beitrag schon in der Überschrift direkt ins Auge gesprungen. Ja, Tauben sind ein schwieriges Thema – Ich wohne selbst mitten in der Stadt und muss am Haus einen Taubenschutz anbringen, weil sie ständig versuchen, am Haus zu nisten, das Nest aber durch den Regen immer wieder runter fällt. Und der Vogelkot tut der Wand auch nicht besonders gut.
Trotzdem sind Tauben keine Schädlinge, sondern eigentlich sehr schöne Vögel. Das „Taubenproblem“ in Städten ist vom Menschen gemacht. Ich persönlich mag die Farben ihres Gefieders. Dein Shirt gefällt mir auch sehr gut, wobei ich bei der Farbe des Stoffs erstmal nicht an eine Taube gedacht hätte :-)
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Ja, es fehlt das Hellgraue und dieser charakteristische Streifen am Schwanz und den Flügeln, aber wenn ihr Gefieder dunkel ist, passten die Farben gut…Liebe Grüße, Silvia
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Sehr schön Deine Gedanken zu den Tauben! Ja sie würden fehlen, da gebe ich Dir Recht. Deine Bluse ist ebenfalls sehr schön, auch wenn für mich die Farben nicht unbedingt an Tauben denken lassen – wie schön, dass jede von uns andere Dinge als Inspiration wahrnimmt. LG Kuestensocke
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Die Farbpalette ist fast zu dunkel-ich hatte da noch ein Teil dazugenäht, aber das sah doof aus also blieb nur der dunkle Part über…Liebe Grüße, Silvia
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Huhu… Ein schöner Beitrag… Vor allem natürlich wegen deiner tollen Bluse. Ich versuche dann aber auch mal die Tauben, die jeden Morgen mit mir sBahn fahren etwas anders zu sehen, denn prinzipiell nerven sie mich doch… Danke für den ANstoß… LG Sarah
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Sie versuchen eben auch das Beste aus ihren Lebensumständen zu machen. Das Problem mit Tieren in der Stadt ist auch das viele Pflaster, Beton, Asphalt…auf einem natürlichen Untergrund Erde, Sand fügt sich alles-auch kot- wieder in den Kreislauf, in unserer künstlich geschaffenen Umgebung geht das nicht so. Wenn unsere Hühner auf der Wiese spazieren ist alles wunderbar, weniger toll ist es, wenn sie genau vor der Haustür Aufstellung nehmen und natürlich auch mal hinsch…Aber man gewöhnt sich dran…liebe Grüße, Silvia
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Hmmm, „Ella“ (+ Stoff): Ja! Den Stoff wuerde ich als toll gelungenes ‚Bunt OHNE Buntheit‘ nennen; thumbs up!
Tauben in generell: ‚profundes‘ Jein!
Dein Artikel/Arbeit ueber die Tauben: o.k., gutes 2:0 fuer Dich (und die Tauben)!
Wir haben hier – u.a. – ‚Probleme‘ mit den sog. ‚Indian Miners‘, welches da ein amselgrosses sehr agressives aber auch seeeehr kleveres Kerlchen von Vogel ist. 1/2 Bonus davon: 1 Familie davon bedeutet kaum Tauben; jedoch stattdessen jede Menge ‚anderer Probleme‘.
In Generell aber: Voegel beobachten in – ausgerechnet – ihrer ‚Menschlichkeit‘ ist wenigstens haeufigst seeehr amuesant und (noch*) nicht verboten und mM auch sehr lehrreich ^^!
Jedoch: geh’n ma liaba Naehen, da eindeutig ergiebiger und erfreulicher ;-) :-D
* klopf‘ den ganzen Holztisch ab um dieses Glueck zu er-/behalten, da sich – auch da – irgendwann einmal sog. ‚Rettungs-Advokaten‘ finden koennten und deren Privat-Sphaere fuer sie einklagen?
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Vögel beobachten ist einfach toll, klar, nicht jeder mag das, aber ich genieße es. Aggressiv geht es bei denen oft zu, da schaut man-liebe Grüße, Silvia
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Bitte keine solche eklatanten Falschinformationen über eine so wehrlose schon genügend diskriminierte Tierart verbreiten. Stadttauben haben keinerlei natürliches Nahrungsangebot in der Stadt, da sie keine hier heimischen Wildvögel sind, sondern durch den Menschen seit der Römerzeit nach Mitteleuropa verbrachte herrenlos gewordene Haus- und Nutztiere.
Von einem Überangebot an Futter kann absolut keine Rede sein. Die hohe Sterberate (80-90%) bei den Jungtieren kommt durch Mangel- Fehlernährung und permantem Hunger zustande. Da die Felsentauben reine Körnerfresser sind (Mais, Weizen, Hirse, Linsen, Erbsen, Grassamen, viele weitere Getreidesorten) in der Stadt aber diese Körner ja niemals auf natürliche Weise vorfinden, ernähren sie sich permanent von Abfällen der Menschen, welche krank machen und permanent Durchfall verursachen.
Die schlechten Nistplätze sind der Tatsache geschuldet, daß die Stadttaube nirgendwo in der Stadt ein natürliches Nistplatz-Angebot findet. Da sie als Felsenbrüter theoretisch auf vom Menschen gebaute Taubenhäuser und Taubenschläge angewiesen ist. Diese aber bis heute von den Stadtverwaltungen viel zu wenig bis gar nicht zur Verfügung gestellt werden. Sie kann keine Nester auf Bäume flechten, da sie ein Halbhöhlen-Brüter ist und die Häuser Brücken und Balkone sind ihr einzige Möglichkeit, einen Schlafplatz und Brutplatz zu finden in der Stadt. Da die Häuser der Felsen-Ersatz sind. Solange der Mensch ihnen keine geeigneten Taubenhäuser baut, ist die Stadttaube dazu gezwungen, sich auf Häuser und Brücken zu setzen.
Weiterhin ist es schon lange seit 2004 (Studie der TU Darmstadt) erwiesen, daß Taubenkot die Bausubstanz nicht angreift, sondern ein rein ästhetisches Problem ist.
Gerne nachlesen bei der Erna-Graf-Stiftung
https://www.erna-graff-stiftung.de/tauben/
Da ich im Stadttauben Verein Dresden Mitglied bin und seit einigen Jahren ehrenamtlich dort mitmache, ist es mir wichtig, diese wirklich falschen Informationen aufzuklären.
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Danke, ich habe meinen Text übrigens auch nicht frei erfunden, sondern viel über Tauben gelesen. Vielleicht war da die Darstellung zum Futterangebot falsch. Ich nehme das gerne zur Kenntnis. Dass die Sache mit dem Kot ein rein ästhetisches Problem ist, ist mir völlig klar. Und ich freue mich prinzipiell, wenn sich Tiere in unserer brutalen, technisierten Umbegung halten und einen Nischenplatz finden können.Ich beobachte diesen permanenten „Kampf gegen die Natur“ auch hier im Dorf immer wieder mit großem Unbehagen. Danke für die Ergänzung und Korrektur. Liebe Grüße, Silvia
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