Jedes Jahr spielen Streifen in irgendeiner Form eine Rolle in den Modekollektionen. Sie sind geradezu ein Klassiker der Mode. Aber auch in der Natur schmückt sich vieles mit Streifen. Streifen sind also nicht unbedingt eine exklusive Erfindung des Menschen. Bei einem Spaziergang kann man, wenn man aufmerksam ist, eine Menge unterschiedlicher Streifen entdecken:
Es gibt viele Tiere die Streifen tragen, als Signal oder Warnung, als Tarnung. Wenig beliebt, aber sehr apart: Der Kartoffelkäfer trägt ein sehr schönes Streifenkleid (kombiniert mit Flecken an seinem Kopf). Auch nicht gerade allerwelts Liebling: die Wespe, mit ihrem gelb-schwarz gestreiften Hinterleib. Ein weiteres Beispiel aus dem Reich der Insekten ist die Weberspinne. Auch viele Schmetterlinge haben markante Streifen. Bei den Vögeln fällt mir als erstes der breite Bruststrich der Blau- und Kohlmeisen ein, bei Stadttauben im Flug erkennt man ein sehr typisches Streifenbild, die Türkentaube schmückt sich mit einem dunklen Halsband. Das Zebra ist wohl das gestreifte Tier schlechthin – schließlich gab es auch unserem Zebrastreifen den Namen. Sehr typisch sind die gestreiften Frischlinge der Wildschweine.
Auch bei Pflanzen findet man Gestreiftes. Auffällig ist, dass hier mehr Ton in Ton Varianten zu finden sind oder auch Reliefartiges. Streifenmuster sieht man an Rinden, Blättern (die Grünlilie), an Blütenblättern, …
Dann gibt es eine Menge gestreifter Objekte, die wir gar nicht als Muster wahrnehmen: Streifen, die entstehen durch Furchen im Boden, Licht und Schatten, Gräser, Wege, Telefonleitungen, Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel usw.
Und schließlich Streifen als Schmuck in Dingen die wir herstellen: Beim Weben, Flechten, oder Schriftreihen die sich zu Streifen fügen, traditionell auch auf Keramik bis hin zum allgegenwärtigen Strichcode.
Definition des Begriffs Streifen: Wenn eine Oberfläche in größere und kleinere Partien durch vertikale oder horizontale oder diagonale Linien geteilt wird, entsteht ein Streifen- effekt. (Jerstorp/ Köhlmark: Textiles Entwerfen und Gestalten)
Streifen ein oder kein Muster?
Für Anna instinktiv eher keins, wie sie in ihrem Beitrag zu ihrem Streifen-Pullover eingangs erwähnte. Nathalie Pellon schreibt in ihrem Buch „kleinkariert – Wege zum Muster im Textildesign“: Streifen müssen nicht zwingend ein Muster ergeben. Es sind parallell verlaufende Bänder, die verschiedene Farben und/oder Strukturen aufweisen. Sie können verschieden breit, gerade oder kurvig sein.
Wenn man von der Weberei ausgeht ist der Streifen in seiner Herstellung das einfachste aller Muster. In die Kette (aufgespannte Längsfäden) wird beispielsweise mit heller und dunkler Wolle gewoben. Oder: die Streifen entstehen durch helle und dunkle Kettfäden, auf denen mit heller (oder dunkler) Wolle gewoben wird.
Tatsache ist, dass Streifen in der Kleidung über die Jahrhunderte präsent, aber je nach Ausformung, Kulturkreis, sozialem Umfeld und Zeit, mit sehr unterschiedichen Assoziationen verbunden werden. Blau-weißgestreifte T-Shirts z.B. bezeichnen oder verbinden wir immer noch mit dem Matrosenleibchen. Einen allzu breit gestreiften Nadelstreifanzug assoziiert man sofort mit fragwürdigen, mafiosen oder kriminellen Kreisen. Ein feingestreifter Anzug oder ein dezent gestreiftes Herrenhemd gilt als elegant. Relativ breite Streifen von Kopf bis Fuß getragen, erinnern unangenehm an Sträflingskleidung. Einige Streifen gelten als vulgär, andere als geschmackvoll. Wie kommt das?
Ein bisschen Kulturgeschichte:
Belegt ist ein, sich über 13 Jahre hinziehender, Streit zwischen den Karmelitermönchen und den Päpsten über die gestreiften Mäntel der Karmeliter. 1295 mahnte Papst Bonifaz VIII. noch einmal in einer Bulle, dass das Tragen gestreifter Kleider den Geistlichen aller Orden verboten sei. Warum so ein Verbot? Es ist historisch nicht eindeutig, was so anstößig an den Streifenmänteln war, und woher der Karmelitermantel kommt. Das Bemerkenswerte an dieser Episode aber ist, dass Streifen Aufsehen erregen, für Aufregung sorgen und Abstand schaffen.
„Kleiderordnung“
Seit dem Ende der Karolingerzeit existieren zahlreiche Zeugnisse, in denen das Diskriminierende der Streifen betont wird. Bräuche, Gesetze und Regeln schreiben von da an gewissen Gruppen von Geächteten oder Ausgeschlossenen das Tragen von zweifarbigen oder gestreiften Kleidern vor: Bastarden, Leibeigenen, Verurteilten, Prostituierten, Spielleuten, Kranken (insbesondere Leprakranken), Henkern, Häretikern und auch, allerdings selten, Juden und allen, die keine Christen sind. In solchen Diskriminierungssystemen sind Streifen das herausragende Zeichen schlechthin: Sie fallen auf, sie betonen nachhaltig die Übertretung der Gesellschaftsordnung. Gestreiftes ist deutlich sichtbar und damit wirkungsvoll.
Streifen, die keine sein wollen: Streifen in Wappen
Ab Mitte des 12. Jahrhunderts breiten sich Wappen in Europa sowohl geografisch als auch gesellschaftlich sehr schnell aus. Jeder kann sich sein Wappen aussuchen, unter der Bedingung: er darf nicht das Wappen eines anderen nehmen. Wappen sind Zeichen der Zugehörigkeit sowie des Besitzes, und sie sind Schmuck. Unzählige Wappen enthalten die eine oder andere Art von Streifen. In der Heraldik, der Wappenkunde, gibt es das Wort Streifen nicht: man spricht von Bändern, die gewissermaßen als Teilungen auf den einfarbigen Hintergrund gelegt sind, quergestreift wird als „geteilt“ bezeichnet. Längsgestreift als „gespalten“. Dann gibt es auch noch „schräggeteilt“- von links nach rechts- oder „schräglinksgeteilt“ , von rechts nach links verlaufende Teilungen. Während die ersten drei Formen häufig sind, gibt es letztere eher selten – und sie haben dadurch einen negativen Beigeschmack erhalten. Diese Wappen hatten lange Zeit einen schlechten Ruf und waren in der Literatur besonders unbotmäßigen Rittern und Personen niederer Abstammung, besonders Bastarden vorbehalten. Ausgehend von den vier grundlegenden Streifenstrukturen, gibt es, je nach Anzahl der Streifen und Art (gewellt, gezackt…) Unmengen von Variationen. Mit diesem komplexen Streifensystem konnten Verwandtschaftsverhältnise vermittelt werden und Zugehörigkeit gezeigt werden. Ähnliche Streifencodes gibt es in Asien, Afrika und vor allem Lateiamerika.
Vom Querstreifen zum Längsstreifen
In der Neuzeit etabliert sich eine neue Streifenordnung: Gestreifte Stoffe werden nicht nur in Kleidung und Embleme verwendet, man findet sie auch bei Vorhängen, Tapeten, Polsterungen, in der Marine, bei Hygieneartikeln und im täglichen Leben werden sie mehr und mehr sichtbar. Im Ancien Regime entsteht ein „guter“ Streifen, der gewissermaßen den Anbruch der neuen Zeit signalisiert: Die im Mittelalter eher seltenen Längsstreifen kommen in Mode. Gleichzeitig bleibt gestreifte Kleidung das Hauptkennzeichen der Dienstbarkeit.
Lange Zeit war es üblich, dass Stoffe, die unmittelbar die Haut berühren weiß oder ungebleicht sein müssen. Erst nach dem ersten Weltkrieg kam langsam die Mode der farbigen Wäsche auf, und dieser Übergang durchlief immer die gleichen Stationen: Pastelltöne und Streifen. Die Begriffe Streifen und Pastelltöne werden als sehr gleichwertig empfunden, womit wir wieder bei Anna’s Statement wären. Pastell ist eine unvollständige „Fastfarbe“, das Gestreifte eine „Halbfarbe“. Besonders auffällig ist diesbezüglich, dass Streifenmuster überall dort wo es um Gesundheit, Hygiene und den Körper geht noch immer stark dominieren, in der Wäsche, Geschirr- und Badetüchern usw. übrigens auch in den Verpackungen. Deutlich sichtbar ist diese Assoziation, dass Streifen gesund sind, bei Sportmode und -geräten. Darüber hinaus hat hier die Signalwirkung des Streifens besondere Bedeutung: Sportliche Streifen wollen bewusst auffällig sein, die Streifen wirken dynamisch, aggressiv, straff, „gesund“. Der /die SportlerIn ist gut sichtbar, sie hebt sich heraus.
Verbot / Gefahr ! Streifen als Verkehrszeichen
Womit wir gleich bei der häufigsten Anwendung für Streifen in unserem Alltag sind: Streifen als Hinweis für Gefahren und Verbote – gestreifte Oberfläche = gefährliche Oberfläche. Sie kann aber auch Schutzzone sein: Der Zebrastreifen zum Beispiel.
Streifen in der Mode haben immer etwas Provokatives und Herausforderndes. Sie verlangen Mut von der Trägerin. Trotzdem haben gestreifte Kleider und Stoffe und die Vielzahl der Möglichkeiten mit ihnen zu gestalten eine große Anziehungskraft und werden immer ein aufregendes Thema bleiben.
Da wir ein paar hübsche Zebraartig gestreifte Beispiele haben, muss ich unbedingt noch erzählen, dass es für uns Europäer ein weißes Tier mit schwarzen Streifen ist, für Afrikaner ein schwarzes Tier mit weißen Streifen.
Bücher: Ich würde sagen das ausführlichste und interessanteste Buch zum Thema Streifen (vor allem aus kulturhistorischer Sicht) ist das Buch Des Teufels Tuch – Eine Kulturgeschichte der Streifen und der gestreiften Stoffe von Michel Pastoureau erschienen 1995 im Campus Verlag, ISBN 2-593-35329-6.
Wer sich in erster Linie mit Farbe und Farbkontrasten auseinandersetzen will, dem empfehle ich Johannes Itten Die große Farb- und Formenlehre.
Sehr anregend ist das Buch Textiles Entwerfen und Gestalten von Karin Jerstorp und Eva Köhlmark, 1990, Hauptverlag, ISBN 978-3-258-60046-8.
Wie Muster im allgemeinen entstehen erfährt man bei Nathalie Pellon kleinkariert – Wege zum Muster im Textildesign, 2012, Hauptverlag, ISBN 978-3-258-60049-9
Streifenmuster finde ich toll; in den 80ern waren gestreifte Hosen sehr beliebt bei Rockbands. Heute sehe ich sie oft im Zusammenhang mit Mode im Marine- oder Rockabillystil. Was mir auch deutlich besser gefällt. Und bei Animalprints ziehe ich Zebramuster dem Leopardenmuster vor.
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Gestreifte Hosen haben immer was mutiges, aber wie du sagst, beim Marinelook ein unverzichtbarer Klassiker. Liebe Grüße Silvia
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Im Moment laufen mir jede Menge Mädchen in weiten gestreiften Hosen über den Weg – da fühle ich mich an Piratenfilme erinnert.
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Eben, die Abenteurer
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Sehr interessant. Vieles wusste ich noch nicht. Ich bin ein grosser Fan von Streifen, mag diese gern.
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Immer wieder kleidsam , nicht wahr? Freut mich, wenn im Beitrag etwas interessantes für dich dabei war. Liebe Grüße Silvia
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