Neues Kleid für einen Thonet-Stuhl

Thonetstuhl Stoff karlotta Pink

Genau genommen ist dieser Sessel ein Bugholzmöbel von einem nicht bekannten Hersteller, die Sitzplatte (an ihrer Unterseite findet man üblicherweise den Namen der Produktionsfirma) haben wir ergänzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch verbindet man aber heute mit Bugholzmöbeln und ganz besonders Sesseln dieser Art den Namen Thonet.

Thonetstuhl

Möbel aus gebogenen Holz waren eine Spezialität der Firma Thonet in Wien. Am 10. Dezember 1869 lief das Patent von Michael Thonet „Holz in beliebigen Formen und Schweifungen zu biegen“ aus, vermutlich wurde es wegen der hohen Kosten nicht erneuert. Viele Möbelfirmen versuchten in das lukrative Geschäft der Massenmöbelproduktion mit Bugholz einzusteigen. 1893 existierten bereits 51 Firmen (allein 25 davon in Österreich), an erster Stelle Josef und Jakob Kohn. Sie konnten das Verfahren verbessern, indem sie zum Biegen des Holzes Dampfdruck statt Wasserdampf verwendeten.

Den künstlerischen Durchbruch erzielte die Firma Kohn auf der Pariser Weltaustellung 1900. Namhafte Archtekten entwarfen Möbel, die die Firma ausführte, zum Beispiel Adolf Loos, Koloman Moser, Josef Hoffmann, Otto Wagner … Plötzlich wurden Bugholzmöbel modern und sie wurden in den Kunst- und Dekorationszeitschriften erwähnt. Die Modelle waren geprägt von der für die Wiener Avantgarde typischen strengen Linienführung.

 

Die Firma Thonet sah sich nun gezwungen ihr Möbelprogramm dem neuen Trend anzupassen. Berühmt sind vor allem die von Adolf Loos entworfenen Stühle für das Cafe Museum, die typischenThonetstühle schlechthin. 1923 fusionierten die Konkurrenzfirmen Thonet, Kohn und Mundus und beherrschten den ganzen Bugholzmarkt.

Einer dieser „im Stil von“ ist mein Sessel. Ich habe ihm vor einigen Jahren eine Sitzpolsterung verpasst, die sich als nicht recht brauchbar erwies: mittens entstand ein hart aufgepolsterter Höcker, der äußerst unbequem den Allerwertesten drückt (dabei war ich von meiner Arbeit sehr überzeugt). Naja, es war mein allererster Versuch. Seither habe ich viele Sessel (und einige Bänke) bezogen und eine Menge gelernt. Das Meiste aus dem Buch „gut gepolstert“ von Nicole Fulton mit Stuart Weston 2005 im Haupt Verlag erschienen.

 

Es ist ein großartiges Buch, wunderbar fotografriert, mit einmalig schönen Möbeln und Gestaltungsbeispielen. Das Polsterhandwerk wird sehr anschaulich erklärt – auch das nötige Werkzeug und Zubehör -, was aber nicht so leicht zu bekommen ist. Das Buch umfasst 174 Seiten, ist im Format 28,5 cm x 22 cm und enthält viele Fotos und Schritt für Schrittanleitungen. Es gliedert sich in 6 Teile: 1. Einführung; 2. Werkzeuge, Material, Abschlüsse; 3. Polstetechniken; 4. Polsterprojekte; 5.Detailarbeiten; 6. Herstellerverzeichnis.

Vorgestellt werden 18 Projekte die einfach Lust aufs Polstern machen – auf die Jagd nach schönen Möbeln und die Suche nach Stoffen, die dem Objekt das gewisse Etwas verleihen.

 

Jetzt noch ein paar kurze Hinweise zu meinem Polsterprojekt: Der ergänzte Sitz ist eine passend in Form geschnittene Sperrholzplatte. Festen Schaumstoff in der gewünschten Stärke – hier ca. 5cm – zuschneiden, mit dem Messer oder der Schere, bei diesem dünnen schaumstoff geht beides – es braucht auch keine perfekte Kante zu werden. Über den Schaumstoff kommt eine Schicht Schafwollvlies – ich habe festgestellt darauf sitzt es sich angenehmer als auf Kunstvlies. Dieses Vlies mildert die Kanten und sorgt für mehr Komfort.

 

Der Bezugsstoff wird ca 8-10 cm größer zugeschnitten (bei noch feinerem Stoff oder einem größeren Möbel – ein Sofa etwa – ist unbedingt ein Rohbezug notwendig (aus festem Baumwollköper zum Beispiel). Jetzt den Stoff auf der Rückseite befestigen, mit einer Klammermaschine oder kleinen Nägeln, dabei zuerst auf den vier, jeweils  gegenüberliegenden Seiten fixieren. Den Stoff dabei gut , aber nicht übertrieben spannen. Dann rundum arbeiten. Der Bezug ist fertig.

 

Ich habe auf der Unterseite ein Futter mit Hand festgenäht, das ist mehr ein ästhetischer Wunsch von mir, muss aber nicht sein. Der Sitz liegt lose im Sesselrahmen, steckt aber gut genug fest, sodass er nicht gleich herausfällt.

Verlinkt zu RUMS, Create in Austria.


Fazit: Mir macht das Polstern wirklich Spaß, aber so eine Sitzfläche ist auch für einen ersten Versuch gut geeignet. Ich hatte Anfangs ein bisschen Sorge, dass der Stoff zu fein ist (dann hätte ich unbedingt darunter starken Unterstoff beziehen müssen), er hatte aber genug Festigkeit. Im übrigen eine schnelle Sache – man braucht dazu vielleicht  1/2 bis 1 Stunde!

Stoff: ca. 50 cm, ich verwendete traditionellen, japanischen Baumwollprint, für dieses Projekt unentgeltlich zur Verfügung gestellt von Karlotta Pink

Buch: gut gepolstert, Nicole Fulton mit Stuart Weston, 2005 Haupt Verlag, 174 Seiten, Format 28,5 x 22 cm

Thonetstuhl Stoff Karlotta Pink


Japan – Blogtour

Für mehr Inspirationen gibt es hier eine kleine Linkliste. Vielleicht läuft euch ja auch noch das eine oder andere mögliche Geschenk oder auch Inspiration für ein mögliches Projekt über den Weg.

Dienstag 14.11. – BEWAHRENDES – PeterSilie&Co mit dem Backhandschuh und ein KrimsKrams-Brett bei Brennnesselein

Mittwoch 15.11. – TRAGBARES – Langes Fädchen, faules Fädchen mit einer Tunika und PeterSilie&Co mit einem Hausanzug

Donnerstag 16.11. – NÜTZLICHES – Mit einem Rucksack bei Buxsen und unser heutiges Stuhlprojekt

Freitag 17.11. – GESCHENKTES – Ein Adventskalender bei dieGrinsekatze_ch und ein Organizer von SandrArt


4 Gedanken zu “Neues Kleid für einen Thonet-Stuhl

  1. Stoff und Stuhl passen ganz wunderbar zusammen! Und das Buch wandert gleich mal auf meinen Weihnachts-Wunschzettel!
    Vielen Dank für den Tipp!
    Ich finde es ganz großartig, mit euch gemeinsam in diesem DesignTeam zu sein! Euer Blog erweitert meinen Horizont wieder einmal, dankeschön!
    Liebe Grüße,
    Jenny

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  2. Der Stuhl ist wieder wunderschön geworden! Obwohl das Modell an sich eher traditionell wirkt, passt der graphische japanische Stoff wunderbar dazu.
    LG Amely

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    1. Für mich war überaschend wie selbstverständlich sich Stuhl und Stoff zusammenfügen – und wie nahe diese japanischen Muster der Wiener Werkstätte sind – oder sollte ich sagen umgekehrt? L.G. Silvia

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