PeterSilie & Co

Rezensionsexemplar unentgeltlich vom Verlag zur Verfügung gestellt

Wenn man das Buch Papiergeschichten von Regula Stucki öffnet ist der erste Eindruck einmal bunt, verwirrend oder sollte ich besser sagen: überbordend? Was man zu sehen bekommt, ist nicht so schnell zu fassen. Da erzählt jemand auf jeder Seite kleine oder große Geschichten. Ich habe das Buch zusammen mit dem wunderschönen Stickbuch Geometrische Muster (demnächst mehr dazu) mit zu meinen Eltern genommen, zum Anschauen. Sie lieben Bücher genau wie Handarbeiten und, auch wenn mein Vater nicht mehr so richtig gut sieht und alle Zusammenhänge erfasst, wecken Gespräche über Handarbeiten oder Ausstellungen manche Erinnerungen und bringen ihn zum Reden. Mein Mann war bei dieser Gelegenheit ebenfalls mit dabei und ich gab ihm das Buch Papiergeschichten zum Durchblättern. (Da ihm bei der mühseligen Konversation mit den alten Leuten schnell langweilig wird…)

“ In dieses Buch muss man eintauchen. Das ist nicht irgendwas. „, sagte er nach einer Weile (hohes Lob!!!), „Das ist Poesie. Da findet sich in jeder Arbeit eine kleine Weisheit oder ein lustiger Blödsinn…“ Das Buch von Regula Stucki ist wirklich nicht sofort zu erfassen, es fordert genaues Hinschauen und Aufmerksamkeit. Aber dann gibt es soviel zu entdecken! Jedesmal wenn ich reinschaue, finde ich etwas, das mir bisher noch gar nicht aufgefallen ist. Der Untertitel des Buches Papiergeschichten lautet „Ideen für Mixed Media &Collagen“. Es ist kein Buch das konkrete Projekte liefert, also nicht 20 Projekte 1:1 zum Nachmachen. Zumindest muss man nach diesen Projekten erst mal suchen, da sie so versteckt zwischen den vielen gezeigten Beispielen sind. Es ist mehr ein Hinführen zu einem möglichen eigenen Weg. Wohl gibt es darin ein „Was ist wo?“ betiteltes Inhaltsverzeichnis. Wer genau liest entdeckt hier zwar thematisch geordnete Bereiche, aber teilweise bunt gemixt quer verstreut im Buch. Kapitel titeln zum Beispiel mit „Getupfte Gedanken“, „Schichten, Lagen, Serien“ oder „Schrift und Schreiben“. Ihre „getupften Gedanken“ begleiten uns durchs ganze Buch. Es ist das Nachdenken, Sinnieren, zu sich kommen, sich Hinterfragen, das jeden künstlerischen Schaffensprozess begleitet.

Eingebettet zwischen wunderschönen, vielschichtigen Arbeiten gibt es sehr konkrete Anleitungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Der Hintergrund einer Collage zum Beispiel. Da gibt es die tollsten Anregungen von gebrauchtem Verpackungen, über alte Buchseitenränder bis zu Experimenten mit gezeichneten Musterstreifen, dem Einfärben mit echten Kaffee oder schwarzen Tee…Es entstehen Mappen und Mäppchen, Faltbücher und Postkarten. Zu vielen dieser Projekte gibt es Links zum Scannen. Hier findet man die Videoanleitung und kann der Künstlerin bei der Arbeit über die Schulter schauen.

Am Ende des Buches gibt Regula Stucki persönliche Materialtipps und stellt ihre wichtigsten Materialien vor. Als typische MixedMedia Collage-Künstlerin ist der Material- und Technikaufwand erfreulich gering. Regula Stucki arbeitet am liebsten mit Altpapier und gesammelten oder auf Flohmärkten gekauften Materialien. Sehr interessant fand ich die vorgeschlagenen Binde- und Grundierungsmittel (Ich freue mich auf meinen nächsten Besuch in einem Fachhandel…).

Zur Autorin: Als echte Collagemeisterin stellt sich die Autorin auch mit einer fröhlichen Collage vor. Regula Stucki lebt und arbeitet in Bern/Schweiz. „Ihr Lebensmotto: Lobe den Tag schon vor dem Abend, ihre „Mitbringsel“: Erfahrungen als Schreibende, Gestaltende, Komödiantin und Spitalsclown, sowie als Mutter, Tochter, Schwester und in vielen anderen Frauenrollen.“

Sehr schön finde ich ihre Danksagung am Ende des Buches: „…Danke an alle, die mir in meinem Leben begegnet sind, mich inspiriert und begeistert haben, und auch denen, die es mir nicht so leicht gemacht haben. Dank ihnen allen verfüge ich über einen reichen Schatz an Geschichten und Erfahrungen, die sich in meinen Arbeiten oft unbemerkt ausdrücken und mich dazu drängen, nie mit dem Gestalten aufzuhören.“

Ich selber mache ebenfalls immer wieder Collagen und ließ mich gerne von diesem Buch inspirieren. Speziell die unterschiedlichen Möglichkeiten Hintergründe zu gestalten waren eine gute Anregung. Also habe ich fröhlich ein paar Postkarten, die mir nicht gefielen mit Papierrändern alter Bücher und Zeitschriften beklebt. Dabei habe ich Dinge entdeckt, die mir vorher gar nicht aufgefallen waren: Eine wunderschöne handschriftliche Notiz und Widmung zum Beispiel. Diese kam dann bei der Dackelkarte zum Einsatz…

---

Fazit: Ein wunderschönes Buch zum Versinken, pure Poesie und eine Abenteuerreise in die Welt der Collage…Das Schöne an Collagen ist, dass man jetzt nicht unbedingt ein Zeichenkünstler sein muss oder ein toller Kalligraph (der Umgang von Regula Stucki mit der Schrift ist sehr offen und entspannt.) Collagen sind einfach toll, weil man ausunnützen Abfall wunderbare Dinge zaubern kann und unbefangen herumprobieren und spielen kann. Ein paar weitere Mixed Media Versuche von mir gibt es kommenden Sonntag bei den Stoffspielereien zu sehen.

Buch: Papiergeschichten Ideen für MixedMedia & Collagen von Regula Stucki, erschienen im Haupt Verlag, 2024, Softcover, durchgehend farbig illustriert, Größe 17cm x 24cm, 159Seiten, ISBN978 3 258 60272 1