Stoffspielereien Texturen aus der Natur-Flechten

Inspiriert bin ich ja ständig von diesem und jenem in der Natur. Ganz besonders beeindrucken mich allerdings die skurrilen Formen der Flechten auf Bäumen oder Gestein. Auch ihre besondere Farbigkeit ist bemerkenswert: Oft zurückhaltend silbriggrau, dann wieder schrill in Signalfarben, je nach Jahreszeit und Feuchtigkeit sanft pastell oder intensiv gefärbt…

Flechten zählen als Symbioseorganismus von Pilz und einem Photosynthese treibenden Grün und/oder Blaualgenpartner zu den widerstandsfähigsten und erfolgreichsten Organismen der Erde. Je nach Art brauchen sie eine bestimmte Wuchsunterlage, Feuchtigkeit, Temperatur und Licht. Es gibt Arten, die in der Wüste leben, in der Arktis, Antarktis und im Hochgebirge. In unseren Breiten sind sie außerhalb der Städte fast überall zu finden. Sie siedeln auf natürlichem und künstlichem Gestein (sogar unter Wasser), auf offenem Boden, Totholz oder als Aufsitzer auf Bäumen, Sträuchern, Blättern oder Moosen.

Flechten nehmen ihre lebensnotwendigen Nährstoffe aus der Luft und dem Regenwasser ungefiltert auf. Genau deshalb reagieren sie sehr empfindlich auf Überdüngung oder Schadstoffe in der Luft und sind ein sicherer Anzeiger für schlecht bzw. gute Luft. 40% der Arten gelten als gefährdet, es kommt aktuell zu einem massiven Rückgang der Artenvielfalt und gleichzeitig zu einem Massenwuchs einiger toleranter Arten. Diese besonders stark verbreiteten Arten sind mir in letzter Zeit auch häufig aufgefallen und naiv dachte ich mir: „Uih, soviele schöne Flechten, da kann die Luft doch gar nicht so stark belastet sein…“ So kann man sich täuschen, nachdem ich einen aktuellen Fachartikel (ÖKO.L 41/3-4 2019 Artenschwund bei Flechten von Dr. Franz Berger und Univ.-Prof.i.R. Dr. Roman Türk) gelesen hatte, sah ich diese Zauberwerke in neuem Licht. Profiteure der atmosphärischen Stickstoffimmissionen sind die silberfarbene Physcia aipolia (Ziegen-Schwielenflechte), die Xanthoria parietina (Gelbflechte) und hellgraue Physcia tenella (Lippen-Schwielenflechte), allesamt hier herum weitverbreitet und daher häufig auf meinen Fotos zu sehen… Da ich kein Experte sondern vor allem ein optischer Genießer bin, weiß ich es natürlich nicht so genau und halte eine recht häufige Art möglicherweise für etwas ganz besonderes…Schön sind sie alle. Die Flechtenfoto sind bei sehr unterschiedlichen Witterungen und Jahreszeiten entstanden. Die Farben leuchten, wie eingangs erwähnt, bei feuchtem Wetter besonders prächtig.

Was man für Flechten tun kann:

  • Erhalt alter Dachlandschaften (in OÖ wachsen hier bis zu 50% der Arten!)
  • Anlage von Trockensteinmauern aus lokalem Gestein
  • Verwendung von unbearbeitetem Holz, kein Holzschutzmittel
  • Verzicht auf Düngung in der Nähe von Magerwiesen, Heiden oder Lesesteinzeilen
  • Verzicht der Reinigung von alten Marterln, Bildstöcken usw.
  • Alte Baumbestände erhalten (Alleebäume, Obstbäume…)

Manche Flechten wachsen nur auf altem, staubigen Holz (!), an Scheunen z.B., andere finden sich auf alten Zaunpfosten, dem Gitterzaun oder Totholz… Wenn man diese Liste oben ansieht, fällt einem vor allem auf, dass es vieles gibt, was man einfach unterlassen sollte. Wie so oft bei Themen der Nachhaltigkeit weniger, weniger, weniger…

Mein Versuch Flechten textil umzusetzen ist unterschiedlich ausgefallen. Nachdem der erste Stress (es muss jetzt schnell was fertig sein…) nachgelassen hat, wurde es richtig interessant. Ein bisschen werkeln, ein Inspirationsspaziergang mit Kamera und Hund dazwischen, ein Lokalaugenschein, nochmal fühlen und genau schauen… wieder probieren. Meine Untergrundstoffe sind 30 cm x 30 cm zugeschnitten, es ist Jeans, Walk, Loden, Seide. Zum Applizieren und Sticken habe ich alles versucht was irgendwie meinen Farbvision- und der Farbpracht der Flechten- nahekam.


Fazit: Ich würde gerne nochmal das eine oder andere auf anderem Untergrund (etwas durchsichtigem wie Chiffon oder Organza) versuchen oder mit den Farbnuancen etwas mehr herumprobieren. Den Begriff Textur habe ich vermutlich etwas weit interpretiert, aber so bin ich jedenfalls in Schwung gekommen, besser gesagt meine Phantasie…

Ich bin gespannt auf eure Werke zum Thema bei Schnitt und Schnitt und freue ich mich schon auf die nächsten Stoffspielereien mit dem Thema Textile Behältnisse bei Feuerwerk by kaze.

Zu den Stoffspielereien

Mach mit, trau dich, sei dabei! Die Stoffspielereien sind offen für alle, die mit Stoff und Garn etwas Neues probieren wollen. Es geht ums Experimentieren und nicht ums Perfektsein, denn gerade aus vermeintlich „misslungenen“ Experimenten können wir im Austausch jede Menge lernen. Lass dich gerne vom monatlich vorgegebenen Thema inspirieren und zeig deine Ideen dazu.

Jeden letzten Sonntag im Monat sind die Stoffspielereien zu Gast bei einer anderen Bloggerin. Dabei kommen wir ohne Verlinkungstool aus: Schreib einfach einen Kommentar mit dem Link zu deinem Beitrag im jeweiligen Blogpost der Gastgeberin. Sie fügt die Links im Lauf des Tages in ihren Beitrag ein – ganz persönlich und individuell.

Bist du nächstes Mal auch dabei?

Die nächsten Termine:

25.10.2020: „Textile Behältnisse“ bei Feuerwerk by kaze
29.11.2020: Skandinavien bei Nähzimmerplaudereien


22 Gedanken zu “Stoffspielereien Texturen aus der Natur-Flechten

  1. Deine Arbeiten sind beeindruckend. Sie lösen sich von der Vorlage, dennoch kann man sie wiedererkennen. Und du bist sehr kreativ mit den Materialien umgegangen. Großes Kompliment.
    LG
    Siebensachen

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    1. Ich muss mich selber immer erst ein wenig freimachen, freispielen und hemmungslos in meinen Materialien wühlen, dann wird es meist so schön, dass ich alles andere ergesse…Liebe Grüße, Silvia

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  2. Gerade diese Woche habe ich in einem Radiobeitrag vieles von dem, was du hier beschreibst, zum ersten Mal gehört. Schön, das nochmal nachzulesen. Man ist so oft versucht, aufzuräumen und wegzuputzen, dabei ist das in der Natur oft kontraproduktiv, das müssen wir viel mehr verinnerlichen. Und Flechten sind so faszinierend anzuschauen.
    Deine Spielereien gefallen mir ausnehmend gut. Einfach mal Kleinigkeiten ausprobieren, ohne Anspruch darauf, dass irgendetwas fertig oder richtig sein muss, ist ein wunderbarer Ansatz.
    Vielen Dank fürs Mitmachen! Liebe Grüße Christiane

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    1. Ich habe mein naturkundliches Wissen auch erst wieder mal richtig auffrischen müssen, erfreulicherweise fiel mir der Artikel wieder ein, lesenswert. Und das mit dem ständigem Bedürfnis nach wegputzen, aufräumen, wie du so schön sagst, ist doch bemerkenswert, wir stressen uns selber soviel und eigentlich ist es-auch für uns!- kontraproduktiv…Liebe Grüße Silvia

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  3. Ich finde Deine textilen Flechten sehr schön umgesetzt. Insbesondere die kleinen hellgrünen Knötchenstiche bei der zuletzt gezeigten Variante sind ein interessantes Detail. Liebe Grüße!

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    1. Da gibt es tatsächlich so kleine hellgrüne Flechtchen am Granit, das hat genau gefehlt, um es lebendig zu machen. Zudem finde ich die Farbkombinationen, die mir bei meinen Flechtexkursionen immer wieder begegnet sind fantastisch…liebe Grüße, Silvia

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  4. Deinen Beitrag mit den Fotos und den Erläuterungen finde ich sehr interessant, und die Umsetzung in textile Strukturen ist absolut gelungen, die bewundere ich sehr !
    Die Flechten auf Baumstämmen und altem Holz fallen mir auch immer wieder auf, manchmal wegen der Farben, manchmal aufgrund der Struktur. Besonders im Winter, wenn es ringsum eher kahl ist. Du hast ein besonders passendes Beispiel ausgewählt und daraus eindrucksvolle Ideen entwickelt.
    Liebe Grüße
    Tyche

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    1. Genau, gerade in der farblich eher zurückhaltenden Jahreszeit setzen Flechten tolle Akzente. Vor kurzem habe ich violette Minipilze gesehen, erstaunlich was es für Farbkombinationen zu sehen gibt draußen. Liebe Grüße, Silvia

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  5. Als Unwissende hätte ich solche Flechten ja für Parasiten am Gehölz gehalten …
    Ohne Zweifel sind sie schön und nachahmenswert. Das ist Dir sehr gut gelungen. Am besten gefällt mir Dein erstes Beispiel.
    LG Ute

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    1. Sie sind Aufsitzer, manchmal erkennt man ja sogar nicht mal ob es Stein ist oder Rinde oder Flechte, eine tolle Lebensgemeinschaft einfach. Manche Flechten brauchen sehr alte Bäume (100 Jahre oder so) oder auch einen ganz bestimmten Baum, wie die Esche, mein als erstes gezeigtes Beispiel gefällt mir übrigens auch recht gut, da war ich schon ein wenig freier, liebe Grüße Silvia

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  6. …. und wenn Du einmal ein hartes Arbeits-Stueck (Stein, Holz usw.) etwas, aehem, ‚flechtenbeschleunigen‘ willst, dann greife doch mal auf den alten Gaertnertrick zurueck: abgekuehltes Nudelwasser (= Kochwasser; weniger Salz) ueber das Material giessen, trocknen, warten.
    Dauert zwar trotzdem, jedoch nicht so lange wie ‚echt-british‘ ;-) :-D

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  7. Ich bin ganz begeistert von den tollen Fotos, dass Du so genau hinschaust, und dann die abstrakte Umsetzung – fantastisch! Du hast den Kern dieser Spielereien finde ich genau getroffen. Toll zu sehen, wie vielfältig die Formen, die Farben, und wie Du das Ganze ins Dreidimensionale bringst. Wunderschön! Liebe Grüße, Gabi

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