Stoffspielereien (Süd)Afrika-Ndebelekunst

Ndebele7Afrika ist ein, im wahrsten Sinne des Wortes, überwältigendes Thema. Der Kontinent ist reich an Kunst, Geschichte und Tradition, geheimnisvoll, klischeebehaftet, fremd, irgendwie sehr schwer zu definieren und so vielfältig. Dazu kommt noch die raffinierte Ausbeutung des Landes durch Industriestaaten, Klima- und Umweltprobleme, Krankheiten, verschiedenste politische Verhältnisse, Krieg, Flucht…

Ndebele2

Ich durfte mir vor vielen Jahren einmal ein Buch aus einem Prospekt aussuchen und das Buch, für das ich mich damals (ca 1995) entschied hieß: Ndebele – ein Volk und seine Kunst. Schon das Titelbild hat mich schwer beeindruckt, diese Farbigkeit und Kraft. Beim näheren Studium war ich von den Arbeiten begeistert, von den Fotos sowieso und von dem was ich las war ich überrascht:

Ethnologische Puristen werden vielleicht etwas schokiert sein, dass der Ursprung der Ndebele-Wandmalerei, die wir als traditionell bezeichnen, knapp ein halbes Jahrhundert zurückliegt…

Mir ging es genauso. Die ersten Wandmalereien wurden in den späten 40er Jahren von dem Architekten A.L.Meiring in einer Siedlung bei Hartebeestfontein (Südafrika) entdeckt. Fingermalereien an Hüttenwänden in Ocker- und Kalkfarben gab es seit Mitte des 19.Jahrhunderts. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Arten der Wanddekoration: Die Muster der Fingermalerei hatten übernatürliche, magische Bedeutung, als Schutz vor Krankheit und Unglück. Die neue Malerei mit ihren bunten geometrischen Formen dagegen ist profan, rein dekorativ. Es war einfach das Bedürfnis „der Welt zu zeigen, dass hier ein Ndebele wohnt“. Um das ein wenig besser zu verstehen muss man einen Blick zurück machen.

Die Ndzundza- Ndebele waren eine starke Regionalmacht im 19. Jahrhundert. Um sich besser zu schützen zog der König mit seinem Volk in die Bergfestung KoNotjharhelo (Mapochshölen) zurück. Diese Gegend war praktisch uneinnehmbar. Auch andere afrikanische Flüchtlinge (z.B. Sotho) zogen sich dorthin zurück. Zweimal konnten sie die Armee der Zuid Afrikaanse Republik abwehren. Nach internen Machtkämpfen kam es unter einem neuen König  zu ernsthaften Auseinandersetzungen mit den bis dahin geduldeten Buren. Die Buren zerstörten 1883 wichtige Lebensmittelspeicher und hungerten das Volk der Ndzundza- Ndebele aus, das dauerte acht Monate. Die Festung wurde zerstört, das Land unter den Buren aufgeteilt, Anführer gehenkt, sämtliche Ndebele enteignet, zu 5 Jahren Sklaverei/ Arbeitsdienst verurteilt. Die Arbeit , die den Ndzundza- Ndebele aufgebürdet wurde war nicht begrenzt, ebensowenig wie die Strafen. Manche wurden nach fünf Jahren entlassen, viele nicht. Selbst 1995 gab es noch viele Arbeiter, deren Lebensumstände die gleichen waren  wie 1883! Im nordöstlichen Transval erhielt eine Gruppe 1956 Eigentumsrechte. Später vereinte die Apartheid- Regierung diese Farmen mit Gebieten, die von anderen Stämmen bewohnt wurden zu einem Lebowa genannten Gebiet, ohne jegliche Rücksicht auf die Volkszugehörigkeit. In dieser Zeit des „Umgesiedelt-Angesiedelt- Aufgesplittertwerdens“ entstand die Ndebelekunst. Unabhängigkeisterklärungen, Bürgerkrieg, Korruption und Zerstörung zeichneten die nächsten Jahre. 1994 wurden Wahlen abgehalten, das Homeland wurde reintegriert und ist heute Teil des neuen Südafrika.

Ndebele-Kunst war immer von einem kommerziellen Aspekt  begleitet und entfaltete verschiedene Stilarten, die ein Element der Ndebelekultur und kennzeichnenster Ausdruck der Stammesidentität wurden.

Besonders unter den Weißen war das Interesse an dieser Kunst sehr groß und bald entwickelte sich eine geschäftige und kleine Touristenindustrie. Der wirtschaftliche Vorteil für die Einwohner war bemerkenswert. Bis Mitte der 50er Jahre hatten sich die Muster sensationell weiterentwickelt. Malerei und Perlenarbeit hatten sich gegenseitig befruchtet.

Mit ihrer Wandmalerei mögen die Ndebelefrauen mit einem Fuss in der Vergangenheit ihrer Perlentradition verankert sein, aber mit dem anderen standen und stehen sie in der kolonialen und postkolonialen Zeit, durch die ihr Umfeld stark geprägt war. Aus den ersten geometrischen Mustern entwickelten sie eine Phantasiesprache der häuslichen Umwelt…Das klassische Beispiel ist das elektrische Licht, das seit den 50er Jahren ein häufiges Motiv  in der Wandmalerei ist.

Als vor den ersten demokratischen Wahlen 1995 Entwürfe für eine südafrikanische Flagge gesucht wurden, gingen Hunderte von Vorschlägen ein. Interessant war die Tatsache, dass fast alle aussahen, als ob sie von einem Ndebelekünstler entworfen worden waren.

Aber zurück zu mir . Ich wollte natürlich auch einmal solche Wandmalerei versuchen, nur habe ich nicht die Außenwand des Hauses genommen (Wer weiß wie das bei meiner Familie und den Nachbarn angekommen wäre…), sondern habe einen unbedeutenderen Innenteil, den Vorraum zum Heizraum, dermaßen verschönt. Leider sind die Farben schon etwas verblasst und so schön wie die Arbeiten der Ndebelefrauen waren meine nie.

Das Charakteristische an der Ndebele- Malerei sind die starken schwarzen und weißen Konturen, die die einzelnen geometrischen Flächen trennen. In Stoff habe ich das als Applikation/ Patchwork versucht, als Kontur Köperband verwendet. Es sollte ein Sonnenschutz werden, aber die orange Farbe leuchtet dermaßen , dass man eher an einen Ofen denkt…Technisch weist meine Stoffspielerei auch einige Mängel auf.

Ndebele3 v

Buch: Ndebele- Ein Volk und seine Kunst von Ivor Powell, mit fantastischen Fotos von Mark Lewis und lesenswertem Text, erschienen 1995 im Parkland Verlag


11 Gedanken zu “Stoffspielereien (Süd)Afrika-Ndebelekunst

  1. Einen sehr interessanten Bericht über die Ndeblekunst – von der ich vorher noch nie etwas gehört habe, hast Du geschrieben. Dein Sonnenschutz leuchtet wunderbar im Fenster, ja das ist Afrika. Schade, dass Du Deine eigenen Wandmalereien nicht größer gezeigt hast.
    viele Grüße Margot

    Like

    1. Meine Malversuche sind schon ziemlich hell, es sind Kalkfarben, die relativ schnell verblassen, naja und so toll sind sie nicht. Es ist übrigens gar nicht so leicht gewesen weder mit dem Pinsel noch mit Stoff! Mich faszinieren die Ndebele -Arbeiten immer wieder. Liebe Grüße Silvia

      Like

  2. Danke für diese Einblicke! Ich merke doch immer wieder, dass ich viel zu wenig über die SToffe, die Kunst und die Vielfältigkeit von diesem faszinierenden Kontinent weiß. Schön, dass du und Sabine hier ein STück weitergeholfen habt! LG. Susanne

    Like

    1. Manches begegnet einem eher zufällig,wie eben Ndebele durch das Buch. Aber ich denke auch oft, dass ich vieles nicht kenne- selbst wenn ich hin und wieder das Gefühl habe, dass ich doch einiges weiß… Liebe Grüße Silvia

      Like

  3. Wie schön, dass Du die Ndebele aufgegriffen hast und den politischen Hintergrund so detailliert beschreibst! Ich finden diese grafischen Muster so schön! Wenn man (wie ich) Ethnologie studiert hat, ist einem der Begriff „Tradition“ äußerst sehr suspekt. Denn hinter dem Label „traditionell“ stecken fast immer handfeste wirtschaftliche, kulturelle oder politische Interessen, und viele der angeblichen „Traditionen“ sind neu erfunden worden, weil jemand ein interesse daran hatte. (Folgerichtig gibt es auch ein Buch namens „the invention of tradition“, das ich sehr empfehlen kann.) Jedenfalls: Ich finde sowohl Vorhang als auch Wandbemalung wunderschön und freue mich über deinen farbenfrohen Beitrag zu den Stoffspielereien! Liebe Grüße, Gabi

    Like

    1. Danke, das mit Tradition ist immer etwas heikel, da hast du recht und formulierst das sehr gut. Da kann ich nichts hinzufügen, außer, dass ich auch immer wieder von der Pracht der Ndebelemalerei begeister bin. Liebe Grüße Silvia

      Like

  4. Danke für deinen Einblick in die Kunst der Ndbele. Davon habe sogar ich schon mal gehört und gesehen. Umso interessanter zu erfahren, dass diese Kunstform so alt gar nicht ist. Und ich kenne die Erfahrung, dass man erst beim Nachmachen und Umsetzen merkt, wo die Finessen eines Designs stecken, und die Finger so gar nicht das umsetzen, was der Kopf sich so vorstellt.
    Liebe Grüße Christiane

    Like

    1. Das mit den Finessen ist gut gesagt. Ich habe erst, gewissermaßen auf halbem Weg, also etwas spät bemerkt, wie es anders vielleicht besser gewesen wäre. Auf jeden Fall starke Kunst, was die Ndebele-Frauen da so machen. Liebe Grüße Silvia

      Like

Kommentar verfassen.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..