Kleiderspende, Alttextilien, Rohstoff? – Über unseren textilen Müll

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Unser täglicher Müll

Müll begann ein großes Thema für mich zu werden, als ich zu einem Umweltthema ein Referat vorbereiten musste. Damals war ich so ca. 21 Jahre alt und war damit beschäftigt die Matura an der Abendschule, d. h. am Gymnasium für Berufstätige zu machen. Das ist jetzt vielleicht im ersten Moment nicht so wichtig, ich erzähle es nur, weil ich eben keine 15jährige Schülerin war, die bloße Pflichterfüllung – und das vielleicht gelangweilt – übt.

In so einem Fall führt der Weg in die Bibliothek – damals gab es noch kein Internet – um Recherchematerial, Daten, Zahlen, Fakten zu erhalten. Da war ich schon einmal überrascht über die Müllmengen. Zur Veranschaulichung fuhr mein Freund mit mir zur öffentlichen Mülldeponie, das war dann auch so ein mulmiges Gefühl, wenn der Abfallberg so groß ist, dass eine Staße hinaufführt und eine Hütte für die Arbeiter obendrauf gebaut ist. Sie haben uns damals vertrieben, als sie sahen, dass wir fotografierten (von den Möwen am Müllberg habe ich bei meiner Möwenbluse erzählt). Auf diesem Müllberg lag (und liegt) alles: Hausmüll, Spritzen vom Krankenhaus, altes Mobilar, Industriemüll, Farbdosen, Spraydosen … Zu dieser Zeit (80iger) gab es noch keine wirkliche Mülltrennung. Sie begann erst so langsam mit Papier- und Glaskontainern. Mein Freund war richtig grantig, weil ich mit dem sonstigen Abfall- der nicht zum Hausmüll gehört zum Bauhof wollte, wo dergleichen Materialien (Blech und so weiter) gesammelt wurde.

Altextilien wurden sporadisch von caritativen Organisation gesammelt oder auch von Privatinitiativen, die diese direkt in ehemalige Ostblockstaaten, wie Rumänien brachten.

Heute lebe ich in einem hübschen, kleinen Dorf. Hier, in unserer Gemeinde, wurde vor gut 20 Jahren von einem Abholsystem auf ein Bringsystem umgestellt – weil sich die etwa 3-wöchige Müllabfuhr nicht lohnte. Wir müssen wirklich alles selber zum Sammelzentrum bringen. Plötzlich stellt man fest, dass die metallene Mülltonne in einem normalen Pkw gar nicht transportierbar ist, und Müll und Müllvermeidung sind daher wieder stark in den Fokus gerrückt.

Titelbild müll22

Unser textiler Müll in Zahlen

Mit „Alles“ meine ich natürlich auch Textilien. Womit wir wieder beim Thema sind: in Österreich fallen durchschnittlich 80-000 Tonnen Alttextilien an. Pro Jahr erwirbt der Österreicher etwa 28kg Textilien (links) und wirft (rechts) 10 Kilo weg (jeweils pro Person). Das Meiste übrigens in und um Wien, die Oberösterreicher werfen durchschnittlich 4 kg weg, in unserem Bezirk sind es ca. 3 kg – Tendenz steigend. Man sollte korrekterweise sagen: werden gesammelt und der Wiederverwertung zugeführt. Der Handel mit alten Textilien ist übrigens kein modernes Phänomen, den gab es schon im Mittelalter, wo textiles Material sehr wertvoll war. Nur ist es jetzt so, dass in Europa niemand diese unglaublichen Altkleidermengen braucht, also werden sie  an darauf spezialisierte Firmen verkauft, die diese Textilien Containerweise verkaufen: Vor allem nach Afrika. Das führt zu zwei wesentlichen Fragen: „Wie geht es Afrikas Textilindustrie dabei ?“ und „Warum müssen wir  soviel wegwerfen?“

Handel mit ausrangierten Kleidern

Zur ersten Frage las ich verschiedene Antworten. Zum Beispiel, dass rund um den Handel mit den „Kleidern der toten Weißen“ viele neue Berufsgruppen und Jobs entstanden. Das sei doch gut. Stimmt, aber wenn wir jetzt immer noch glauben wir tun nur gutes, lügen wir uns selbst an. Die Industrienationen haben haben doch seit der Kolonisierung  perfekt entwickelt wie man Regionen und Länder instabil hält, Bodenschätze und Ressourcen optimal zu eigenen Gunsten ausnutzt oder mit korrupten, oft brutalen Staatsoberhäuptern gute Deals macht.

Natürlich kann die regionale Textilwirtschaft nicht mithalten, wenn das Land überschwemmt wird von billigen Markenprodukten in besten Zustand. Das ist unserer Textilindustrie auch so ergangen und wo sie noch existiert, hat sie schwer zu kämpfen. (Übrigens wusstest Du, dass jeder dritte Webstuhl in China steht?) Zudem leidet die afrikanische Industrie großteils an schlechter Energieversorgung und Koordinierung bei Lieferungen usw. Außerdem, da ich China schon ins Spiel gebracht habe, wird der Kontinent mit asiatischer Billigstware überflutet. Dagegen sind Altkleider immer noch besser, selbst wenn die meisten von ihnen (und führen sie auch noch so prominente Namen) ebenfalls in Asien in absoluten Niedrigstlohnländern unter verheerenden Bedingungen produziert werden. Immerhin wurden sie ursprünglich für höhere Qualitätsstandards hergestellt. 60-70 % der Weltbevölkerung tragen Secondhandkleidung, in Tansania sind es 80% (Zahlen: Planet AID) .

Hauptsache neu und schnell

Die noch viel interessante Frage lautet eigentlich: Warum werfen wir soviel weg? Warum dreht sich das Modekarrusell immer schneller? Was glauben wir in diesem Rausch und dieser Lust am ewig Neuen zu finden? (Also nicht, dass ich nicht auch Freude an schönen Kleidern habe, aber ich kaufe nicht gerne Klamotten.) Was genau verstecken wir damit oder welches Bedürfnis befriedigen wir?

Wie denkt ihr darüber?

Über das Thema Recycling-Upcycling, verschiedenen Herangehensweisen mit einem kurzen historischen Rückblick, werde ich im in einigen Wochen nochmals schreiben.


Einen überaus interessanten Beitrag habe ich von Annette Hülsbeck, Dipl.Päd. Universität Osnabrück, in der Zeitschrift Weben+, Heft 1/2013, gelesen: „Alt?Kleider- ein neuer Rohsoff“ – leider nicht online verfügbar. Vielen Dank dafür.

Bücher zum Thema:

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10 Gedanken zu “Kleiderspende, Alttextilien, Rohstoff? – Über unseren textilen Müll

  1. Neu ist Upcycling beileibe nicht!

    Bei meinen Großeltern väterlicherseits wurde beispielsweise u.a. der äußerlich schäbig gewordene Wintermantel aufgetrennt, umgedreht und wieder zusammengenäht, es war in Kriegszeiten kaum anders möglich…

    …dem Thema Müll begegne ich persönlich dagegen aktiv. In meiner Papierwerkstatt, die ich als Künstlerin zunächst für Kinder aufgebaut hatte, wird ausschließlich mit Materialien gearbeitet, die ich mir organisiere. Es sind Kalender vom letzten Jahr, oder Kartonagen vom Verlag die einer neuen Verwendung zugeführt werden.

    Die riesigen Müllberge resultieren jedoch aus einem anderen Grund: Es ist zum einen der Werteverfall – das Kleidungsstück wird ja effektiv nicht aufgetragen, sondern ist innerhalb kürzester Zeit zerschlissen, nach einem halben Jahr unmodern und die Werbung – bedingt durch die Profitgier der Industrie – suggeriert, dass der Konsument etwas Neues brauche!

    Mit herbstbunten Grüßen, Heidrun

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    1. Profitgier der Aktionäre, derjenigen, die ihr Spiel um Geld und Macht abgekoppelt vom Durchschnittsalltag perfektionieren und genießen, würde ich sagen. Wir alle sind aber beteiligt am Wettlauf um möglichst viel aus unserem Geld herauszuholen. Werbung ist natürlich raffiniert, perfektioniert und böse-es wird nichts, aber auch gar nichts ausgelassen. (Ich bin ausgebildete Grafikerin) Teilweise ist es schon erschreckend, wie gut das System funktioniert. Liebe Grüße Silvia

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  2. Ein sehr interessantes Thema hast Du da aufgegriffen. Zwar nähe ich meine Kleidung mittlerweile fast ausschliesslich selbst, bin aber damit trotzdem mitten in diesem Modekarussell. Immer wieder versuche ich mich im Upcycling und Refashioning, aber gegen die Berge an Altkleidern kommt man nicht an. Ob Mode oder Elektronik, es gibt eigentlich keinen Bereich in unserem Leben, den wir überdenken müssen, da wir hier auf Kosten von Anderen leben.
    Liebe Grüße,
    Julia

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    1. Irgendwie gibt es von allem zuviel und wir haben definitiv den Überblick verloren, das engt ein, schränkt ein – wir müssen unser Hab und Gut ja irgendwo lagern, verwalten, pflegen…-das belastet. Was das Modekarusell betrifft: Ich denke Freude an schöner Kleidung, Schmückendem und der Wunsch nach Veränderung sind ein Teil von uns, problematisch ist ganz sicher das Tempo und unser enorme Ressourcenverschleiß. Herunterfahren ist gar nicht so leicht. Liebe Grüße Silvia

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  3. Über ein ähnliches Thema, und das greift auch vieles wieder auf, was du geschrieben hast, habe ich vor einem Monat eine Doku auf Arte gesehen. Die war wirklich spannend, da geht es zwar um die großen Designer und teure Mode, aber im Grundgedanken lässt sich das auf Ottonormalverbraucher ummünzen. Ob sie noch ausgestrahlt wird, weiß ich gerade nicht, https://ringellaus.blogspot.com/2018/09/kinderhose-fresa-aus-mexiko-stoff-und.html
    Richtig schoppen gehe ich auch nicht gern, aber Stoffe kaufen fällt mir viel leichter. Bei Wollsachen suche ich auch gern im Second Hand Laden oder Flohmarkt, da diese Stoffe neu auch richtig Geld kosten und ja schon vieles produziert ist, aber nicht mehr getragen wird. Sehr schade!
    Viele Grüße,
    Ina

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    1. Danke für deine Info zum Thema. Es ist nicht leicht, ich weiß, ich weiß. Wollsachen im Secondhand/ Flohmarkt habe ich noch nie versucht, bzw noch nicht wirklich viel gutes gefunden. Dafür sind in meinem Schrank Pullover, die sage und schreibe, gute 30Jahre alt sind…Liebe Grüße Silvia

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  4. Du sprichst ein total wichtiges Thema an! Seit ich nähe kann ich einfach keine billige Kleidung mehr kaufen. Ich muss an die Menschen denken, die sie produziert haben, und an die Umweltbedingungen…
    Leider kann man sich dem heute kaum noch entziehen, selbst wenn man Kleidung zum Tragen und nicht aus Modegründen kauft.
    Der Kapitalismus suggeriert uns aber, wir bräuchten immer mehr und immer neues. Da bin ich sehr froh, dass es jetzt immer mehr Firmen gibt, die Bedacht und Nachhaltig und fair produziert werden. Dann soll der Markt doch wenigstens in eine gute Richtung wachsen.
    Viele Grüße
    Stacia

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    1. Ich stimme dir voll und ganz zu. Aber man ist schon ziemlich gefordert, wenn man versucht sich mit gut produzierte Kleidung (in jeder Hinsicht) zu kleiden. Dann glaube ich doch, dass sich die Mehrheit von den Schnäppchen verführen läßt. Beziehungsweise ist bei vielen die Problematik dieses Themas noch icht angekommen. Aber ich wüsche mir wirklich sehr eine Trendwende- zu unser aller wohl! Liebe Grüße Silvia

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  5. Danke für diesen interessanten Beitrag!
    Ich nähe mir inzwischen fast alle Oberteile selbst (Shirts, Pullis, Cardigans, Tops). Bei Hosen habe ich mir bisher nur Freizeithosen genäht, also Leggins, Sweat- und Schlafanzugshosen. An eine Jeans möchte ich mich auch mal ranwagen, aber noch habe ich zu großen Respekt davor.
    Möchtest Du vielleicht Deinen Beitrag bei „Einfach.Nachhaltig.Besser.Leben“ (kurz: einab) verlinken?
    http://einfachnachhaltigbesserleben.blogspot.com/
    Ich denke, dort gibt es ganz viele Mitwirkende, die deine Recherche-Ergebnisse interessieren würden.
    LG
    Natalie

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